Sieben Polizei-Mannschaftswagen am Gmünder Bahnhof nach dem Spiel, ein mit Bauzaun-Absperrgittern eigens errichteter „Gästeblock“ und rund 25 private Security-Leute, die der Verein bezahlen muss. Nach den sechs ruhigen Jahren in der Verbandsliga herrschte am Samstag beim Spiel Normannia gegen den SSV Reutlingen Hochsicherheitsstimmung in und ums Stadion – zum ersten Mal wieder seit dem Aufstieg des FCN.

Der SSV ist eben kein Oberliga-Durchschnittsverein, sondern bringt wie Ulm, die Kickers oder Waldhof Mannheim eine mitreisende Fanszene an die gegnerischen Fußballplätze. Gut 200 SSV-Fans sorgten auf der Gegengerade für Profifußball-Stimmung in der tectomove Arena.

Das Sicherheitskonzept klappt

Auch auf dem Platz stand am Samstag keine Durchschnittstruppe – sondern ein Oberliga-Zweiter mit Profiteam-Ansprüchen, der nach 13 Spieltagen 19 Punkte mehr auf dem Konto hatte als die Gmünder Normannia.

Doch die FCN-Kicker schafften es in der Anfangsphase des Spiels, das Leistungsgefälle nicht deutlich werden zu lassen: Die Normannia spielte hoch konzentriert, taktisch diszipliniert und ließ sich nicht hinten reindrängen – die Zuschauer sahen eine Partie mit ausgeglichenen Spielanteilen. Das fußballerische Sicherheitskonzept des FCN funktionierte in der ersten halbe Stunde nahezu fehlerfrei, nur ein Pfostenschuss von SSV-Kapitän Pierre Eiberger sorgte kurz für Durchatmen bei den Gmünder Anhängern.

Doch dann passierte die eine Szene, um die Spitzenteams eben oft besser sind: Nach einem schnell ausgeführten Freistoß kam der Ball in den Sechzehner zu Marcel Avdic, der ihn gegen FCN-Innenverteidiger Patrick Lämmle geschickt abschirmte und zum 0:1 traf (32.).

Traub: „Nicht Fußball gespielt“

Das war eben das, was dem FCN fehlte in dieser ersten Halbzeit: gefährlich vor dem gegnerischen Tor zu sein. Da sah vieles ganz gut aus beim FCN – bis auf das Offensivspiel in Richtung gegnerischen Strafraum.

"Das hat mir die Zornesröte ins Gesicht getrieben." 

Holger Traub, FCN-Trainer, zur Offensivleistung seines Teams in der ersten Halbzeit

„Was wir in Ballbesitz gemacht haben, das hat mir die Zornesröte ins Gesicht getrieben“, sagte FCN-Trainer Holger Traub, „Wir haben im letzten Drittel kein einziges Mal Fußball gespielt.“

Nach der Pause blieben die Gmünder einem bewährten Muster aus den letzten Wochen treu: eine bessere Halbzeit zu spielen als die erste. Nie aufgeben, dranbleiben bis zur letzten Minute, das haben die Normannen schon öfter unter Beweis gestellt. Die Chancen häuften sich, Patrick Lämmle schoss knapp übers Tor, Marvin Gnaase ebenfalls. Und dann stand Bobo Mayer genau richtig: Nach einem Einwurf in den Sechzehner hatte die SSV-Abwehr nur halbherzig klären können, und Mayer zog mit rechts ab: 1:1 (84.).

Zweimal auf der Linie geklärt

Dabei blieb es, und obwohl der Punkt im Abstiegskampf einmal mehr zu wenig war, musste man das 1:1 realistischerweise in die Ende-gut-alles-gut-Rubrik einsortieren – denn zweimal hatten die Gmünder auf der Linie klären müssen in dieser zweiten Halbzeit.

Auch das Sicherheitskonzept um den Platz herum hatte funktioniert. „Es ist alles gut organisiert gelaufen“, sagte Fußball-Bereichsleiter Marco Biegert. Finanziell dürfte der Sicherheitsaufwand wie in früheren Jahren ein Zuschussgeschäft sein. Aber eines, um das der Verein eben nicht herumkommt. Biegert nahm es also von der positiven Seite: „Die Atmosphäre im Stadion war doch klasse ...“

So haben sie gespielt:

Normannia – Reutlingen 1:1 (0:1)

FCN: Ellermann – Fichter, Lämmle, Stölzel, Fröhlich – Gnaase, Kianpour (79. Ibrahimovic) – Kolb (57. Kolb), Mayer, Ubabuike – Bauer.
SSV: Jurkovic – Eiberger (53. Vogler), Sessa (71. Schmitt), Wöhrle, Di Biccari (38. Maier), Schiffel, Avdic (Gümüssu), Schwaiger, Milisic, Kuengienda, Reisig.
Tore: 0:1 Avdic (32.), 1:1 Mayer (84.)
Zuschauer: 760

Drinbleiben?– „Ich glaube noch dran“

„Ich glaube noch dran“, sagt Karl-Heinz Knab, der frühere Fußball-Bereichsleiter. Und sein Nachfolger Marco Biegert verweist auf die Leistung der Normannia-Elf gegen das Spitzenteam aus Reutlingen: „Die Mannschaft hat sich super präsentiert.“

Der FC Normannia hat gegen den SSV einmal mehr nicht wie ein Absteiger gespielt – aber er steht nach Punkten wie ein Absteiger da. Mit neun Zählern aus 14 Partien liegt der FCN knapp an der Spitze einer schon leicht abgeschlagenen Vierer-Schlusslichttruppe – der Abstand der Gmünder zum ersten sicheren Nichtabstiegsplatz beträgt acht Punkte.

Jetzt schon sechsmal Remis

Die vielen Unentschieden werden zum Problem: „Ein 1:1 gegen Reutlingen ist für sich genommen ein gutes Ergebnis, aber der eine Punkt bringt uns halt nicht weiter“, bringt es FCN-Spielmacher Andreas „Bobo“ Mayer auf den Punkt. Das Remis gegen den SSV war das sechste des FCN in der laufenden Saison – so oft hat kein anderes Team in der Liga bislang die Punkte geteilt.

Andere Vereine tauschen in so akuter Abstiegsgefahr gerne mal den Trainer aus. „Das ist kein Thema“, sagt FCN-Präsident Alexander Stütz. Der FCN will seiner seit Jahren gepflegten Linie treu bleiben: „Wir haben die Ruhe im Verein und im Umfeld“, betont Stütz.

„Wir haben die Qualität“

Auch FCN-Neuzugang Toni Suddoth, der bis zur Winterpause verletzt ausfällt, gibt sich selbstsicher: „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die Liga halten; es spricht nichts dagegen, wir haben die Qualität und den richtigen Trainer.“

Und Alexander Stütz sagt: „Wir haben Spaß gefunden an der Liga, und wir wollen gern drin bleiben. Es gibt noch viele Punkte zu verteilen.“

Stimmen zum Spiel: „Die zweite Halbzeit ist unsere ...“

Holger Traub, FCN-Trainer: 
„Wir haben gut gegen den Ball gearbeitet in der ersten Halbzeit, hatten das Reutlinger Angriffsspiel – außer beim Tor – im Griff. Doch was wir in Ballbesitz gemacht haben, hat mir die Zornesröte ins Gesicht getrieben, das war zu wenig. In der zweiten Halbzeit haben wir es dann geschafft mit Selbstvertrauen nach vorne zu spielen.“

Andreas „Bobo“ Mayer, FCN-Spielmacher: 
„Wir hatten viele Räume in der ersten Halbzeit, aber wir haben es schlecht gemacht. Und dann kommt wieder ein Gegentor aus dem Nichts heraus, es ist das alte Leid. In der zweiten Halbzeit sind wir marschiert, und Reutlingen war platt. Es ist eine gute Truppe, aber sie müssen noch viel lernen ...“

Jonas Vogler, SSV: 
„Wir müssen das zweite Tor machen, dann ist es gegessen. In der zweiten Halbzeit haben wir uns zu sehr hinten reindrängen lassen ...“

Toni Suddoth, verletzter FCN-Spieler: 
„Die zweite Halbzeit ist eigentlich unsere, da schlagen wir zu ...“

Teodor Rus, Trainer SSV Reutlingen:
„Gmünd war unglaublich zweikampfstark. Wir sind natürlich enttäuscht – aber wir sind immerhin weiterhin Zweiter.“

© Gmünder Tagespost 04.11.2018