Neuer Trainer, viele neue Spieler, neue sportliche Leitung. Die Zwischenbilanz ein halbes Jahr nach dem Umbruch beim FC Normannia kann sich sehen lassen: Der FCN hat die beste Vorrunde seit dem Abstieg aus der Oberliga gespielt und überwintert auf Platz vier.

Holger Traub, der neue Trainer, hängt die Lorbeeren seinen Spielern um: „Die Jungs haben einen tollen Job gemacht“, sagt er. Der Coach, dem Akribie und Menschlichkeit gleichermaßen wichtig sind, hat seit dem Sommer die Mannschaft sichtbar entwickelt. Eine Spurensuche.

Der Start: Zwei Spiele, acht Gegentore, null Punkte. Mit einem Fehlstart hat die Saison für den FCN begonnen. „Das hat sehr geschmerzt“, erinnert sich Holger Traub. „Du nimmst dir so viel vor, willst es allen beweisen, und dann so ein Brett – das hat gesessen. Aber man muss ja weitermachen.“ Traub hat es schnell geschafft, die Defensive zu stabilisieren und in die Erfolgsspur zu kommen. „Wir haben nicht den Plan geändert nach zwei Wochen, aber an Stellschrauben gedreht“, sagt der Coach.

Die defensive Stabilität: „Gemeinsam Lösungen suchen“ – diese Worte verwendet Traub immer wieder, wenn man mit ihm über Fußball redet. Gemeinsam heißt für ihn: miteinander reden. Das war auch der Ansatz, um die  defensive Stabilität schnell zu verbessern. „Wir haben das Gespräch gesucht mit der Defensivabteilung“, erzählt der Coach. Es hat gefruchtet: Nach dem Zwei-Spiele-acht-Gegentore-Start haben die Gmünder an 14 Spieltagen nur noch 13 Treffer kassiert. Die Mannschaft hat sich schnell gefunden – und es gibt im Team keinen einzigen, der sich rausnimmt aus der kollektiven Defensivarbeit. „Wie aus einem Guss“, so hat FCN-Spielleiter Claus-Jörg Krischke jüngst einen Auftritt seines Teams beschrieben.

Kommunikation: Klar, zu einem Team gehört es, miteinander zu reden. Das weiß jeder, aber Traub lebt als Trainer diesen Grundsatz. „Er kommuniziert permanent“, sagt Fußball-Bereichsleiter Karl-Heinz Knab über seinen Coach. Und das fordert Traub auch von seinen Spielern. Damit sie auf dem Platz, genau: gemeinsam Lösungen suchen und finden. Denn darum gehe es ja permanent im Spiel, „egal ob in Ballbesitz oder in Ballnähe“, so Traub. Je besser sich Spieler verstehen, mit oder auch ohne Worte, desto besser wird das Team. Das ist für Traub Quintessenz der Weiterentwicklung einer Mannschaft.
Dazu kommt der Teamgedanke, den Traub seinen Spielern immer wieder aufzeigen will: „Es ist nicht mein Baby, es ist unser Baby. Ich möchte jedem Spieler den Eindruck geben, dass es sein Ding ist“, sagt er übers „Projekt“ Normannia.

Der Aufwärtstrend: Die Tabellen-Fieberkurve des FCN zeigt einen klaren Aufwärtstrend. Das Team ist mehr und mehr zu einem eingespielten und stabilen Kollektiv geworden, was man besonders in kritischen Spielsituationen merkt. „Das hätten wir vor ein paar Monaten noch nicht so geschafft“, ist ein Satz von Co-Kapitän Stephan Fichter, den der in den vergangenen Wochen gleich zweimal verwendet hat: als die Normannia fast 90 Minuten in Unterzahl dem Tabellenführer Hollenbach Paroli geboten hat – und am vergangenen Samstag bei der Aufholjagd gegen Ehingen, wo der FCN in der 92. Minute noch den Ausgleich erzielte.
Es ist eine gute Entwicklung, aber man darf dennoch nicht zu viel zu schnell erwarten. Eine Spitzenmannschaft sei die Normannia noch nicht, „davon sind wir noch ein Stück weg“, sagt Teammanager Andrea Aiello. Ehrgeizigere Tabellenplatz-Ziele sind erst fürs nächste Jahr vorgesehen. Holger Traub: „Über Tabellenplätze reden, das ist Zukunftsmusik – dafür ist dann in der kommenden Saison Zeit.“

Der akribische Trainer: „Mir waren es in der zweiten Halbzeit zwei Bälle zu viel, die wir unkontrolliert nach vorne geschlagen haben.“ Auch das ist ein Holger-Traub-Satz, der die Arbeitsweise des Normannia-Coachs anschaulich macht. „Ich bin total fixiert auf Details“, sagt er offen über sich selbst. Wenn einer seiner Fußballer im Spiel den Ball wegschlägt, obwohl es eine spielerisch-konstruktive Lösung gegeben hätte, dann wird er die Szene garantiert abspeichern und ansprechen.
Er sei ein Trainer, der viel hinterfragt und sich viele Gedanken macht, gibt Traub zu. Und er hat einen analytischen Kopf zur Seite, der sich bescheiden im Hintergrund hält, aber Traub sehr wichtig ist. Ohne Co-Trainer Tobias Dreher wollte er im Sommer nicht zum FCN wechseln. Denn, so Traub: „Er hat eine unglaubliche Fachkompetenz, setzt sich intensiv mit taktischen Details auseinander – und er ist ein Kumpeltyp, der große Ruhe ausstrahlt.“ Auch Traub hat diese zwei Seiten – seine Gesprächskultur hat nicht nur Taktik-Details zum Inhalt, sondern auch die menschlichen Seiten seines Teams. „Wir sind alles Menschen“, ist eine seiner Maximen.

Spielerische Lösungen: „Das ist unser Anspruch: Wir wollen schönen Fußball spielen“, sagt der Coach. Um mit Ballbesitzfußball und spielerischen Lösungen Erfolg zu haben, muss man mit seiner Mannschaft viel und im Detail arbeiten. Schönheit funktioniert nur mit Akribie. „Man muss die eigenen Fehler extrem minimieren und die Konzentration immer hoch halten.“ Sonst passiert, was der Normannia am letzten Samstag gegen Ehingen widerfuhr: der Gegner nutzte Ballverluste zu gefährlichen Kontern. Das zu vermeiden, darum drehe sich der Entwicklungsprozess. Der inzwischen in Gang ist, aber viel von den Spielern verlangt. Wobei Traub betont: „Den Jungs macht’s Spaß, sie lieben den Fußball...“

Der perfekt Passende: Dass Andrea Aiello als Spät-Neuzugang den 36 Jahre alten Ex-Profi Andreas „Bobo“ Mayer gewinnen konnte, war ein Volltreffer für den FCN. Mayer ist nicht der Star der Mannschaft, der die Spiele alleine gewinnt – aber er war genau der offensive Mosaikstein im Mannschaftsgefüge, der noch gefehlt hat. Einer mit Autorität, aber ohne jede Überheblichkeit. Vom Ruf ein Streithansl zu sein, der ihm ein wenig vorausgeeilt ist, hat sich beim FCN null bewahrheitet. Das Gegenteil ist der Fall. „Er wirft sich rein für die Mannschaft“, sagt Traub. Und hilft seinen jungen Mitspielern auch auf dem Platz. „Es ist in Spielsituationen sehr wertvoll, wenn er einem Mitspieler zwei Meter neben ihm etwas mitgeben kann – und man die Szene nicht erst Stunden später auf Video anschaut und bespricht.“

Kein Bedarf: Neuzugänge im Winter? „Wir haben einen einen guten Kader, es gibt keinen Handlungsbedarf“, sagt Karl-Heinz Knab. Lediglich ein Ersatz für Torhüter Konstantin Kühnle, der den Verein verlässt, muss gefunden werden.

© Gmünder Tagespost 04.12.2017